Klartext // Ein Stückchen Loslassen…Brief an meine Zwillinge
Meine geliebte Minimotte, mein kleiner süßer Floh,
jetzt ist es tatsächlich bald soweit. Nächste Woche werdet Ihr ein Jahr alt. Meine Elternzeit geht zu Ende, der Papa wird noch einen Monat mit Euch verbringen und dann seid Ihr ganz bald schon kleine Krippenkinder! Für uns alle bricht dann eine neue Zeit an. Ich werde morgens nicht – wie bisher – die Motte an der Kita absetzen und mit Euch wieder nach Hause fahren um noch ein Kuschelstündchen einzulegen. Nein, ab Ende Juli werde ich Euch alle drei im Kindergarten abgeben, anschließend ins Büro fahren und Euch am späten Mittag – hoffentlich geschafft von den vielen kleinen Abenteuern die Ihr in der Zwischenzeit erlebt habt – wieder abholen.
Ich bin so stolz auf Euch! Ihr habt so viel gelernt in diesem ersten Babyjahr. Ihr habt Euch zu zwei ganz besonderen kleinen Persönlichkeiten entwickelt. Manchmal schaue ich Euch an und denke: wie groß Ihr geworden seid! Was Ihr schon alles könnt. Welch ein Wunder es ist, wie schnell Ihr plötzlich gar keine hilflosen Säuglinge mehr und auf Euren zwei Beinchen steht. Dabei seid Ihr doch meine zwei Zwerge – meine süßen Babys!
Ich gebe zu: ich freue mich auf die Rückkehr an meinen Arbeitsplatz. An Vormittage voll mit Erwachsenengesprächen und ohne Babygeschrei und Windeln wechseln. Aber ich bin auch wehmütig. Denn die Vormittage, die wir einfach mal auf einer Decke im Garten verbummeln konnten sind nun vorbei. Ich werde Euch nicht mehr 24 Stunden am Tag beim Wachsen, Spielen, Lernen und Lachen zusehen können. Werde Euch nicht mehr alles selbst beibringen und zeigen, sondern einen Großteil auch Euren Erzieherinnen überlassen. Und obwohl ich weiß, dass Ihr dort in den allerbesten Händen seid, weil Euch die selben lieben Betreuerinnen erwarten wie damals schon Eure große Schwester, es wird ein komisches Gefühl sein, einen halben Tag von Euch getrennt zu sein.
Aber ich bin auch neugierig: auf all´das was Ihr nun Neues lernt und enteckt. Wie Ihr Euch immer weiter entwickelt. Und ich bin mir sicher, dass Ihr sehr viel Spaß haben werdet. Ihr werdet andere Kinder kennenlernen, mit ihnen spielen, toben, basteln, malen, matschen. Ihr habt ja schon auf unseren Ausflügen und Reisen deutlich gezeigt, wie gern Ihr unterwegs seid, wie fröhlich und offen Ihr allen Menschen begegnet. Ich wünschte, wir Erwachsenen könnten uns manchmal davon etwas abschauen.
Ich bin sehr gespannt auf das neue – das zweite – Lebensjahr. Auf die ersten Schritte, die ersten Worte, die ersten Freunde.
Denn die wünsche ich Euch aus tiefstem Herzen. Freunde, die Euch durch die Kindergartenzeit und vielleicht noch lange danach, begleiten. Mit denen ihr die Welt entdeckt, Höhlen baut, Quatsch macht, auf Bäume klettert und Gummibärchen und Geheimnisse teilt.
Sicher wird es auch Tage geben, an denen Ihr Konflikte austragen müsst. An denen ein anderes Kind gemein zu Euch war oder Ihr Euch ungerecht behandelt fühlt. Und auch daran werdet Ihr wachsen. Werdet lernen für die Zukunft, werdet ein kleines Stück größer, selbstständiger, unabhängiger. Und ich werde nun lernen müssen, diese Konflikte auszuhalten. Sie nicht gleich für Euch lösen zu wollen, sondern Euch den Rücken zu stärken, für Euch da zu sein und Euch wissen zu lassen, dass ich immer da bin wenn Ihr mich braucht.
Ich muss Euch nun ein kleines Stückchen loslassen. Euch die ersten Erfahrungen allein machen lassen. Für Euch bedeutet das viel. Ihr geht die ersten kleinen Schrittchen allein in die große Welt. Mit mir an Eurer Seite und als sicherer Hafen im Hintergrund. Und ich weiß, Ihr werdet das ganz großartig machen. Ihr werdet stolz sein auf jede Kleinigkeit, die ihr ganz allein geschafft habt.
Während ich diese Zeilen schreibe wird mir plötzlich so klar, dass ich all´diese Momente nun zum letzten Mal erleben werde. Und so sehr ich mich über jeden Fortschritt von Euch freue, so muss ich doch ein Tränchen vergießen, weil die Zeit so rast.
Meine beiden Mäuse, ich freue mich auf die vielen, vielen Abenteuer die ihr erleben werdet. Euch steht die ganze Welt offen. Ihr könnt alles sein was Ihr wollt. Um es mit Astrid Lindgren zu sagen: „seid frech und wild und wunderbar“. Und jeden Tag wenn ich aus dem Büro komme und Euch abhole freue ich mich auf Eure Strahlegesichter. Darauf, wie Ihr mir entgegengelaufen kommt und Euch in meine Arme werft. Wie Ihr lossprudelt um mir all die tollen Dinge zu erzählen, die Ihr erlebt habt. Denn noch darf ich ein großes Stück Eures Weges mit Euch gehen. Und dafür bin ich sehr dankbar.
Ich liebe Euch so sehr –
Eure Mama