Klartext // Natürlich darfst Du traurig sein, aber…Mein Mutmach-Brief an Verena vom Blog „Stillzwerg“
Liebe Verena,
Du weißt ja: ich habe Dir schon über facebook Mut gemacht. Nachdem ich Deinen aktuellen Blogbeitrag gelesen habe, ist es mir aber ein Anliegen das noch einmal ausführlich und mit Nachdruck zu tun. Denn ich glaube, dass es vielen Mamis da draußen so geht wenn das Geschwisterkind kommt. Uns Zwillingsmamis plagt vielleicht manchmal doppelt das schlechte Gewissen den großen Geschwistern gegenüber – aber ich glaube, dass man diese Gefühle durchaus auch hegen kann, wenn nur EIN Geschwisterchen kommt und damit die gesamte Familiensituation noch einmal durcheinander wirbelt.
Ich will Dir einige Dinge sagen: auch ich hatte in der Anfangszeit oft ein unheimlich schlechtes Gewissen meiner Motte gegenüber. Weil ich das Gefühl hatte, dass sie an allen Ecken und Enden zu kurz kommt. Weil ich kaum Zeit hatte mich intensiv mit ihr zu beschäftigen. Weil ich ständig ein Baby auf dem Arm hatte und die Kuschelmomente mit ihr plötzlich rar waren. Es ging sogar so weit, dass ich manchmal – wenn in der Mitte unseres Betts ein Baby schlummerte dachte: „Moment mal, dass ist doch Mottes Platz“. Es war schwer für mich loszulassen und zu akzeptieren, dass die Motte eigentlich viel lieber in ihrem eigenen Bett schlafen möchte. Sie wusste, dass sie weiterhin jederzeit zu mir kommen kann nachts – aber sie machte es einfach nicht mehr.
Wenn sie die Wahl hat – mit Mama spielen oder sich mit Freunden verabreden – sucht sie sich mit 100%iger Wahrscheinlichkeit die Freunde aus. Und das ist auch gut so. Denn ist nicht genau das unser Ziel? Unsere Kinder in die Welt hinaus zu lassen, Ihnen die Sicherheit und das Selbstvertrauen zu geben, dass sie brauchen um irgendwann einmal allein zurecht zu kommen? Wir bleiben Ihnen ja: als sicherer Hafen in den sie jederzeit zurückkehren können.
Während ich also so darüber nachdachte, dass die Motte immer öfter ihren eigenen Weg geht wurde mir klar: sie wird groß. Sie braucht mich vielleicht gar nicht mehr so intensiv wie früher. Sie ist sich sicher, dass wir sie weiterhin genauso lieben wie vorher. Dass sie unsere Liebe nicht teilen muss, sondern diese sich mit zwei weiteren Kindern verdreifacht hat. Dass genug Liebe für alle Drei da ist.
Denn: Unsere Großen – auch Deiner – haben ein paar Jahre Vorsprung, da hatten sie uns ganz allein. Das werden die Zwillinge nie erleben. Dein Großer weiß, dass Du ihn noch immer genauso liebst, auch wenn Du im Moment weniger Zeit für ihn hast. Und Exklusivzeiten nur für Euch beide werden wieder kommen. Die sind dann etwas wirklich Besonderes und Ihr könnt sie noch mehr genießen als früher. Im Moment kann ich Dir nur sagen wie wir es zu Beginn gemacht haben: wir haben die Zwillinge immer etwas früher ins Bett gebracht abends, so hatte die Motte noch eine ganze Stunde Zeit nur mit uns. Da dürfte sie dann selbst aussuchen was wir machen: basteln, malen, ein Spiel spielen, Vorlesen. Das hat sie sichtlich genossen.
Und am Wochenende habe ich die Zwerge oft einfach mal beim Papa gelassen und war zwei Stunden nur mit ihr unterwegs. Eis essen oder auf dem Spielplatz. Manchmal nur einkaufen – eigentlich war das völlig egal, Hauptsache wir hatten ein bißchen Zeit nur zu Zweit.
Die ersten Kinder bleiben immer etwas Besonderes. Das heißt nicht, dass man die nachfolgenden weniger liebt, aber die ersten haben einen eben zum ersten Mal zur Mama gemacht – man hat all´die kleinen Wunder zum ersten Mal erlebt. Diese unendliche Liebe. Ich kenne Deine Gefühle. Am Anfang denkt man: aber den Großen / die Große liebe ich am meisten von allen meinen Kindern. Weißt Du warum das im Moment so ist? Weil Dein Großer eben Vorsprung hat. Er hat schon ein paar Jahre mit Dir erlebt. Eure Liebe ist stetig gewachsen.
Aber das wird Dir mit den Zwillingen ebenso gehen. Wenn ich heute in die Gesichter meiner beiden Zwillingsmäuse schaue, dann weiß ich gar nicht wohin mit meiner Liebe.Und es ist einfach wunderbar, dass ich diese bedingungslose Liebe, die man gar nicht in Worte fassen kann, gleich noch zweimal erleben darf.
Und dann möchte ich noch loswerden: es ist ein wunderbarer Satz den Deine Leserin geschrieben hat: „Du hast Deinem Großen Geschwister geschenkt“. Wie wertvoll das ist wirst Du merken, sobald Deine Zwerge mobiler werden. Es ist unglaublich, wie früh die Mäuse anfangen miteinander zu spielen. Die Zwillis himmeln ihre große Schwester an, die baut Höhlen für die zwei, reicht Spielzeug und Schnuller an, tröstet, umarmt, verteilt Küsschen und fängt bereits jetzt an ihnen die Welt zu erklären. Das ist einfach zauberhaft. Und wertvoll für alle drei. Vor ein paar Tagen lag die Große mit ihrer kleinen Schwester im Bett und plötzlich sagt sie: „Minimotte, ich lieeeebe Dich!“ Mein Herz schmolz dahin.
Natürlich werden die Drei auch mal streiten. So wie es Geschwister eben tun. Und mit wem könnte man das wohl besser als mit Geschwistern? Die werden einem nämlich bestimmt anschließend nicht die Freundschaft kündigen, sondern sich – wenns drauf ankommt – lieber gemeinsam gegen Mama und Papa verbünden.
Ich glaube, dass die Großen – wenn sich erstmal alles zurechtgezuckelt hat mit der neuen Situation – es gar nicht als so belastend empfinden, wenn die Mama nicht mehr ausschließlich für sie Zeit hat. Denn es macht doch eigentlich viel mehr Spaß mit den Geschwistern – anderen Kindern – zu spielen. Und Du hast mal gesagt, dass Dein Großer bereits fragt wo die Babys sind, wenn er Fotos aus der Zeit sieht, bei der Ihr noch zu Dritt wart. Ist das nicht wunderbar? Es bedeutet doch, dass er die Zwei bereits als Teil Eurer Familie sieht. Kinder sind oft so viel klüger als wir.
Natürlich ist es am Anfang anstrengend und man fragt sich, wo man die Zeit hernehmen soll sich auch noch mit den Erstgeborenen zu beschäftigen. Ständig muss man ein Bedürfnis befriedigen. Ich habe mich nach der Geburt manchmal gefragt, warum wir uns für ein (in dem Fall zwei) weitere Kinder entschieden haben. Es war doch alles so schön eingespielt, die Große nun schon aus dem Gröbsten raus. Jetzt fängt das alles von vorne an. Aber mittlerweile hat sich meine Einstellung geändert. Ich möchte es nicht mehr anders haben. Auch wenn es immer noch Tage gibt, an denen ich mich völlig fertig frage, wie ich das alles schaffen soll, wie ich jedem Kind gerecht werden soll. Aber dann denke ich an die schlauen Worte der Blogprinzessin, bei der ich mir manchmal Rat hole, oder die mir Mut zuspricht, wenn es mal wieder ein Ätz-Tag war: „Du musst gar nicht mehr ständig um Deine Kinder rumhampeln, denn die haben sich jetzt auch gegenseitig und sind nie allein. Und manchmal wirst Du erstaunt sein, warum Du abgemeldet bist“ 🙂
Und zum Schluss möchte ich Dir noch einen sehr klugen und befreienden Text ans Herz legen, den ich gerade kürzlich gelesen habe, und der ganz wunderbar zu diesem Thema passt. Er kommt von der wunderbaren Sarah vom Blog „Sarah plus Drei“. Zwar ist Sarah keine Zwillingsmami, aber auch sie hat ein 10 Monate altes Baby und macht sich Gedanken darüber, wie es nun so ist, wenn ein Geschwisterchen eingezogen ist. Unter anderem sagt sie: wir müssen dringend das schlechte Gewissen gegenüber unserem Erstgeborenen ablegen. Und erklärt auch warum. Und hat damit so Recht.
Du darsft natürlich traurig sein und weinen wenn Dir danach ist, aber versuche auch immer wieder Dir vor Augen zu halten, was für ein Geschenk drei gesunde Kinder sind und wie wunderschön das alles wird…Ich drück´Dich!!
Deine Anna
Mit diesem Beitrag nehme ich am Scoyo Eltern Blog Award 2016 teil.